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Die Bewahrung des Kulturerbes gibt es nicht zum Nulltarif

Kommentar zur Crowdfunding-Initiative des Filmarchiv Austria, die unter dem Motto "Save the past for the future!" stand, zur Rettung von Hans Karl BreslauersDie Stadt ohne Juden (1924)

715 Menschen, darunter eine beeindruckend großzügige anonyme Spenderin, haben die Rettung eines bedeutenden Stummfilms möglich gemacht. Die Unterstützer/innen haben ihre Herzen und ihre Portemonaies geöffnet und 86.419 Euro (!) zusammengelegt, damit ein wichtiges Stück Filmerbe für die Nachwelt erhalten bleibt. Großartig!

Aber: Der Pflege des kulturellem Erbes kann von idealistisch gesinnten Privatpersonen letztendlich nur flankiert werden. Viele tausend unrestaurierte Filme, also Millionen Meter analoges, zersetzungsgefährdetes Trägermaterial aus der Frühzeit des Kinos, schlummern weltweit noch in öffentlichen und privaten Archiven (siehe etwa den Sensationsfund zu Metropolis) oder, wie im Fall von "Die Stadt ohne Juden", auf Flohmärkten, in Schwimmbädern oder anderen möglichen und unmöglichen Orten. Sie warten ebenfalls darauf, entdeckt, restauriert oder zumindest professionell konserviert zu werden. Eine Herkulesaufgabe, die durch Crowdfunding-Aktionen, Mäzenatentum und anderes bürgerschaftliches Engagement nicht befriedigend gelöst werden kann. Die beeindruckende Initiative des Filmarchiv Austria eignet sich (leider) nicht zur Blaupause für unbegrenzt viele, ähnlich gelagerte Rettungsaktionen.

Eine deutlich größere strukturelle finanzielle Ausstattung der Filmbewahrer ist also angesagt, um (zumindest) die wichtigsten Restaurierungsprojekte auf der Höhe des derzeit technisch und handwerklich Möglichen gewährleisten zu können. Viele Filmarchive und -museen rund um den Globus können ein Lied von einer zu schmalen finanziellen Ausstattung singen (siehe zum Beispiel die Initiative Filmerbe in Gefahr). Bei der Linderung dieser weltweit misslichen Situation sind staatliche und internationale Institutionen gefragt. Und zum Beispiel auch Unternehmen, wie etwa die großen, weltweit operierenden Digital-/Medienkonzerne und Social-Media-Plattformen, die an (oftmals aufwändig produzierten) Inhalten verdienen, indem sie sie selektieren, zusammenstellen und vertreiben, diese aber nicht selbst herstellen.

Die Bewahrung von Kulturgut – egal ob es Filme, Gemälde, Fotos oder Papyrusrollen sind – ist ohne Zweifel eine immense Herausforderung. Eine Herausforderung, die sich aber lohnt mit Elan und ausreichenden finanziellen Mitteln anzunehmen – auch in Zeiten, in denen viel von knappen Kassen geredet wird. Denn aus den Erfahrungen und Erkenntnissen früherer Generationen Hinweise für erfolgreiches Handeln im Hier und Jetzt zu filtern, ist lohnenswert und allemal günstiger, als "das Rad immer wieder neu zu erfinden".

Gerade im Kulturbereich entstehen oftmals außergewöhnliche Sichtweisen auf die Dinge, die die Welt bewegen. Diese schöpferische Vielfalt, auch wenn sie mitunter als kontrovers und provozierend empfunden wird, ist ein wichtiges Kennzeichen lebendiger und demokratischer Gesellschaften. Sie gilt es zu bewahren und zu fördern. Für diese offene, solidarische und respektvolle Grundhaltung stehen der Film "Die Stadt ohne Juden"und die zurecht vielbeachtete Crowdfunding-Aktion des Filmarchiv Austria.

"Save the past for the future!" – man kann es nicht besser sagen!

Frank Hoyer, Herausgeber Stummfilm Magazin
Foto: Filmarchiv Austria