Gemäß dem Leitspruch „Save the Past for the Future“ hat das Filmarchiv Austria eine Crowdfunding-Initiative zur Rettung des vielleicht wichtigsten österreichischen Stummfilms, Die Stadt ohne Juden (Regie: Hans Karl Breslauer, 1924), gestartet.
Durch einen zufälligen Fund auf einem Pariser Flohmarkt kamen bisher verloren geglaubte Passagen des österreichischen Meisterwerks in den Bestand des Filmarchiv Austria. Der Film wurde nach einer Romanvorlage des jüdischen Schriftstellers und Journalisten Hugo Bettauer 1924 in Wien gedreht und zeigt mit unheimlicher Voraussicht die kulturelle und wirtschaftliche Verarmung einer Stadt nach Vertreibung der jüdischen Bevölkerung. Es ist der weltweit erste Film, der wie eine Vorahnung die Vertreibung der Juden, die nur wenige Jahre später Realität wurde, sowie die damit verbundenen politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen darstellt.
Mit den neu aufgefundenen Passagen kann der Film nun erstmals seit vielen Jahrzehnten in voller Länge wiederhergestellt werden. Enthalten ist nun auch der bisher verloren geglaubte Schluss, der gemeinsam mit weiteren neu entdeckten Passagen eine offensichtlich dramaturgisch angelegte Parallel-Erzählung erkennen lässt. Bisher unbekannte Szenen zeigen das jüdische Leben in Wien mit klarer antisemitischer Konnotation. Die berühmte expressionistische Szene mit Hans Moser als rabiaten Antisemiten ist erstmals komplett überliefert. Insgesamt wird nun die politische Aussage des Films und die Darstellung des mörderischen Antisemitismus in Wien im Gefolge des ersten Weltkrieges wesentlich schärfer artikuliert.
Um dieses einzigartige Filmdokument zu erhalten, müssen als erster Schritt einer umfassenden Restaurierung die auf Nitromaterial neu aufgefundenen Passagen auf modernes Trägermaterial umkopiert und digitalisiert werden. Aufgrund des fragilen Nitromaterials drängt die Zeit. Da dieses aufwendige und kostenintensive Projekt aus dem laufenden Budget nicht finanziert werden kann, hat sich das Filmarchiv Austria entschlossen, die Zivilgesellschaft im Rahmen einer Crowdfunding-Initiative um Unterstützung zu bitten.
Innerhalb der ersten zwei Wochen haben sich mehr als 140 UnterstützerInnen an der Filmrettungs-Initiative auf wemakeit.com beteiligt, dabei kamen bisher über EUR 16.000 zusammen. Bis zum 10. Dezember 2016 können „FilmretterInnen“ die Kampagne noch unterstützen - als Dankeschön warten auf die Supporter exklusive Belohnungen, unter anderem Tickets zur Premiere von "Die Stadt ohne Juden", ein Workshop zur digitalen Filmrestaurierung oder ein Rundgang an filmhistorisch bedeutende Plätze Wiens.
Die Crowdfunding-Kampagne findet man hier
Textquelle und Fotonachweis: Filmarchiv Austria