Leinwand-Lyrik und Wanderkino erhalten den Deutschen Stummfilmpreis 2023

Der Leinwand-Lyriker Ralph Turnheim und das Wanderkino von Tobias Rank werden mit dem Deutschen Stummfilmpreis 2023 für besondere Verdienste um die Stummfilmkultur ausgezeichnet. 

Der Deutsche Stummfilmpreis ehrt Persönlichkeiten und Institutionen, die sich um die Präsentation, Förderung, Erforschung oder Bewahrung des frühen Films verdient gemacht haben. In diesem Jahr werden zwei Stummfilm-Liveformate ausgezeichnet, die für eine so außergewöhnliche wie lebendige und publikumsnahe Stummfilmkultur stehen. 

Zum einen wird das Wanderkino von Tobias Rank mit dem Deutschen Stummfilmpreis geehrt, ein mobiles Kino, das Stummfilme in Open-air-Atmosphäre und mit hochwertiger Livemusik präsentiert. Es steht mit seinen ausgedehnten deutschlandweiten und internationalen Touren in der Tradition der historischen Wanderkinos des 20. Jahrhunderts. Das Kinoequipment ist in einem auffälligen roten Oldtimer-Feuerwehrauto untergebracht, das gleichzeitig auch als dekorativer Hintergrund für die Kinoleinwand dient. 

Zum anderen wird der Leinwand-Lyriker Ralph Turnheim mit dem Deutschen Stummfilmpreis ausgezeichnet. Der im deutschen Sprachraum einzigartige professionelle Stummfilmerzähler vertont live vor Publikum stumme Filme. Seine gekonnt gereimten Texte kommentieren das Leinwandgeschehen mit Wiener Charme und gespickt mit Wortwitz. Leinwand-Lyrik ist ein außergewöhnliches Crossover von Kleinkunst und stummen Film. 

Video zum Deutschen Stummfilmpreis 2023 auf YouTube

Was die beiden Preisträger verbindet: Das Wanderkino von Tobias Rank und die Leinwand-Lyrik von Ralph Turnheim ermöglichen mit ihren unkonventionellen Veranstaltungen einen frischen Blick auf das frühe Kino. Sie erreichen mit ihren einzigartigen Veranstaltungen jährlich tausende Menschen, in Städten und auf dem Land, in Konzerthäusern und Kinos. Ihre Veranstaltungen ziehen nicht nur in Deutschland, sondern auch international ihr Publikum in den Bann. Neben dem unterhaltenden Charakter der Veranstaltungen sind beide Formate damit auch Botschafter für die Präsentation und Bewahrung des frühen Filmerbes. Sie bringen die Stummfilmkultur zu den Menschen und begeistern so nicht nur Kenner*innen der Filmgeschichte, sondern erweitern den Kreis der Interessierten, egal ob jung oder alt. 

Beide Preisträger verbindet darüber hinaus auch die Liebe zur analogen Projektion. Die Filmvorführungen erfolgen stilecht im 16mm-Filmformat. Dabei trägt das typische Rattern des Projektors zur nostalgischen Atmosphäre der Veranstaltungen bei. 

Vorgestellt: die Preistrager 2023

Leinwand-Lyrik mit Ralph Turnheim

Der Leinwand-Lyriker Ralph Turnheim erhält den Deutschen Stummfilmpreis 2023 für besondere Verdienste um die Stummfilmkultur. Der Filmerzähler ist in seiner Art einzigartig im deutschen Sprachraum und vertont live vor Publikum stumme Filme. Leinwand-Lyrik ist ein außergewöhnliches Crossover von Kleinkunst und stummen Film. Die Programme tragen Titel wie “Die Zunge des Zorro” und “Sherlock Holmes und die Stimme des Stummfilms”. 

Mit Wiener Charme reimt der ausgebildete Schauspieler und Wahl-Wiesbadener zu den Bildern auf der Leinwand seine witzigen, durchaus auch mal schwarzhumorigen Texte. Seine gekonnten Wortspiele nehmen die Handlung auf und entlarven immer wieder Handlungsklischees. Dabei spielt Ralph Turnheim alle Rollen, egal ob es der lianenschwingende Dschungelheld Tarzan, das gruselige Monster von Frankenstein oder der heldenhafte Schwarze Pirat ist. Hin- und mitreißend ist etwa seine Live-Synchronisation des achtminütigen (!) Lachanfalls des berühmten Komikerduos Laurel & Hardy im Kurzfilm „Leave 'Em Laughing“ (USA 1928). Und Ralph Turnheim macht auch hier und da die Geräusche zum Gezeigten, so imitiert er mal Hufgetrappel, mal quietschende Bremsen. 

Bei ausgewählten Veranstaltungen erhält Ralph Turnheim auch musikalische Unterstützung. Dann werden seine Worte live untermalt von renommierten Musiker*innen, dem österreichischen Stummfilmmusiker Gerhard Gruber oder der Violinistin Jenny Lippl. Neben dem Liveprogramm veröffentlicht Leinwand-Lyrik auch Teile seines Repertoires für das Heimkino. 

"Der Deutsche Stummfilmpreis beglückt mich als Stummfilmerzähler besonders. Denn sogar Kenner des frühen Kinos wissen oft nicht, dass Erzähler von Beginn an Teil des Kinos waren. In Japan galten die 'Benshis' als die wahren Kinostars. Hierzulande wurde die Macht der 'Erklärer' über Film und Publikum teils bewundert, teils verachtet. Bis sie auf Druck der Sittenwächter großteils vertrieben und von der Geschichte vergessen wurden. Darum erscheint es heute vielen absurd, manchen respektlos, Stummfilmen Stimme zu geben. Doch kann es das Gegenteil sein: Pure Freude am Film und das Lebendighalten einer vergessenen Tradition. Das Stummfilm-Magazin hat nie daran gezweifelt, und dafür bin ich sehr dankbar. Rund 100 Jahre nach dem Verbot der Kinoerklärer in meiner Geburtsstadt Wien und auch anderenorts zeichnet es sogar einen aus. Möge der gute Ruf des Stummfilm Magazins nicht darunter leiden!“, sagte Ralph Turnheim nach Bekanntgabe der Auszeichnung. (www.leinwand-lyrik.de)

Wanderkino mit Tobias Rank

Das Wanderkino unter Leitung von Tobias Rank erhält den Deutschen Stummfilmpreis 2023 für besondere Verdienste um die Stummfilmkultur. Das mobile Kino präsentiert Stummfilme unterschiedlicher Genres: von der Komödie über den Monumentalfilm bis zum Experimentalstreifen. Alle Filme werden live musikalisch in unterschiedlicher Instrumentalbesetzung begleitet. Die professionellen Musiker*innen interpretieren die Filme dabei immer wieder neu und so wird jede Veranstaltung zu einem besonderen Seh- und Hörerlebnis. 

Ein rotes Oldtimer-Feuerwehrfahrzeug der Marke Magirus-Deutz, hergestellt im Jahr 1969, beherbergt die gesamte Kino-, Ton- und Lichttechnik, transportiert Bestuhlung und Instrumentarium. So kann jeder Ort in kürzester Zeit in ein Open-air-Kino verwandelt werden, egal ob auf Marktplätzen oder in Schlossgärten, an Stränden oder auf Waldlichtungen. Die Filmaufführungen schaffen eine nostalgische Atmosphäre, die an die Pionierzeiten des Kinos erinnert. Der gemeinsame Filmgenuss verbindet dabei generationenübergreifend. Die Filmprojektion erfolgt mit historischer 16mm-Filmtechnik. 

Das Wanderkino aus Leipzig ist seit 1999 unterwegs. Neben alljährlichen Reisen durch ganz Deutschland folgte das Wanderkino bereits Einladungen unter anderem nach Frankreich, Slowenien, Polen, Litauen, Weißrussland, Tschechien, Serbien, Rumänien, Moldawien, Spanien, Portugal, Senegal, Schweden, Dänemark, Thailand, Myanmar, Italien, Österreich, Slowakei und Schweiz. Das Wanderkino ist zudem Veranstalter der alljährlichen „Stummfilmtage auf der Warze“ im Leipziger Clara-Zetkin-Park und der „Stummfilmtage am Hafen Althagen“ in Ahrenshoop.

“Es ist mir eine große Freude, den diesjährigen Deutschen Stummfilmpreis entgegennehmen zu dürfen. Das Wanderkino, mit dem ich seit nunmehr zweieinhalb Jahrzehnten auf Tour bin, ist seit seinem Start zu einer beständigen kulturellen Institution herangewachsen. So eine große Resonanz des Publikum war in der Anfangszeit des Wanderkinos nicht gleich absehbar, am Beginn war es ein Experiment. Der anhaltende Erfolg des Wanderkinos liegt vielleicht auch in gewisser Weise in der nostalgischen Sehnsucht nach einer Zeit begründet, in der Kinoerlebnisse noch Höhepunkte und Lichtspielhäuser wichtige soziale Treffpunkte waren, zu einer Zeit, als es keine schnelle digitale Vernetzung gab. Jeden Sommer freue ich mich aufs neue, in den Feuerwehroldtimer zu steigen und bei meinen Touren an vertraute, aber auch immer wieder neue Orte zu fahren. Die generationsübergreifende Begeisterung für den frühen Film und die Stummfilmmusik zeigt sich bei jeder Vorstellung, ob bei den Open-air-Events im Sommer oder zur kälteren Jahreszeit in Filmtheatern und auf Festivals. Herzlichen Dank an das Stummfilm Magazin für diese Anerkennung”, sagte Tobias Rank nach Bekanntgabe der Auszeichnung. (www.wanderkino.de

Über den Deutschen Stummfilmpreis

Der Deutsche Stummfilmpreis wird seit 2020 von der Onlinepublikation „Stummfilm Magazin“ (www.stummfilm-magazin.de) verliehen. Mit der Auszeichnung sollen beispielhaft die vielen leidenschaftlichen und vielfältigen Bemühungen zur Pflege des frühen Filmerbes gewürdigt werden, die von engagierten privaten Initiativen bis hin zu öffentlich geförderten Institutionen geleistet werden. Zudem will der Preis eine größere Aufmerksamkeit auf den Stummfilm ziehen, der auch heute noch aufgrund seiner oftmals einzigartigen und nach wie vor einflussreichen künstlerischen Kraft zu faszinieren vermag.

Preisträger*innen der letzten Jahre waren die „Regensburger Stummfilmwoche“ (Deutschlands ältestes Stummfilmfestival, seit 1982), die ZDF/ARTE-Filmredakteurin Nina Goslar, die Stummfilmmusiker Joachim Bärenz, Günter A. Buchwald und Richard Siedhoff, der Dirigent und Arrangeur Burkhard Götze und der Filmverlag absolut MEDIEN.