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Neuerscheinung: Rekonstruktion der deutschen Fassung von "Der Mann, der lacht"

"Der Mann, der lacht" (1928), eine amerikanische Produktion des deutschen Regisseurs und Ausstatters Paul Leni, zählt zu den beeindruckensten expressionistischen Melodramen der Stummfilmzeit und hinterlässt bis heute Spuren im Horrorfilm-Genre und in der Popkultur.

Mit einer Collector’s Edition legt das Label Wicked Vision nun eine rekonstruierte deutsche Bildfassung des Stummfilms vor. Da alle Kopien der deutschen Kinoversion in der NS-Zeit vernichtet wurden, gab es bisher keine Möglichkeit, die aufwändige Universal-Produktion mit deutschen Texttafeln zu zeigen. Grundlage der aktuellen Rekonstruktion sind die Zensurkarten aus dem Bestand des Bundesarchivs, anhand derer die Schrifteinblendungen nachgebaut werden konnten. Die vorliegende Fassung nähert sich nun so weit wie möglich der Version an, wie sie 1929 in den deutschen Lichtspielhäusern lief, allerdings ohne die damaligen Kürzungen in der Filmhandlung.

England im Jahr 1690: Gerade aus dem Exil heimgekehrt, um seinen kleinen Sohn Gwynplaine zu sehen, wird der Adlige Lord Clancharlie vom rachesüchtigen König James II. zum Tode verurteilt. Der grausame Herrscher hat den Chirurgen Dr. Hardquannone beauftragt, Gwynplaine zu entstellen: Ein künstlich geschaffenes, irres Grinsen verdammt das Kind beim letzten Treffen mit seinem Vater dazu, diesen kurz vor dessen Hinrichtung auszulachen und so zu demütigen.

Paul Leni (1885-1929), einer der großen und einflussreichen, aber eher unbekannten deutschen Filmemacher des frühen Films, schuf mit "Der Mann, der lacht" ein visuell beeindruckendes und menschlich berührendes Gothic-Melodram. Es wurde eine seiner letzten Produktionen vor seinem überraschenden und frühen Tod im Jahre 1929. Der Film beruht auf dem Historienroman "Der lachende Mann" von Victor Hugo. Conrad Veidt, seit seiner Darstellung als Schlafwandler Cesare in "Das Cabinet des Dr. Caligari" (D 1920) nicht nur in Deutschland ein populärer Kinomime, beeindruckt in der titelgebenden Hauptrolle durch sein differenziertes und einfühlsames Spiel, trotz der Einschränkungen durch ein starres und entstellendes Make-up. Veidts optische Ausstrahlung in der Rolle als Gwynplaine war sogar so eindrücklich, dass sein Gesicht später als Inspiration für die Darstellung des Schurken Joker diente, dem wohl berühmtesten Gegenspieler des Superhelden Batman. An der Seite von Veidt ist Mary Philbin zu sehen, die es zuvor schon in "Das Phantom der Oper" (USA 1925) mit einem verunstalteten Verehrer zu tun hatte.

Die Collector’s Edition von Wicked Vision (2 Blu-rays und 2 DVDs) lässt keine Wünsche offen: Die 4K-Restaurierung der ungekürzten Originalfassung lässt das Bild in brillianter Qualität erstrahlen. Die Version mit den deutschen Texttafeln wirkt beeindruckend homogen und ahmt die englischen Originalelemente stilecht nach. Als Musikbegleitung ist eine Komposition und Aufnahme des Berklee Silent Film Orchestra von 2018 in unkomprimiertem Stereoton zu hören. Zudem sind ein 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Christoph N. Kellerbach, die Dokumentation "Die Geburt der Universal Monster aus dem Geiste des Melodrams" mit Prof. Dr. Marcus Stiglegger und einige Extras mehr enthalten.

Das Mediabook wird mit fünf verschiedenen Covermotiven angeboten. Besonders hervorzuheben ist die auf 222 Exemplare limitierte "Joker Edition" mit einem Bild von der Künstlerin Nadine Demmler. Es zeigt das Gesicht von Conrad Veidt in der Anmutung des Jokers: Eine wunderbare grafische Idee, die gekonnt den Bogen von der Stummfilmzeit zur Populärkultur unserer Tage schlägt und so den Einfluss des Films bildlich auf den Punkt bringt.

Veröffentlichungstermin der Collector’s Edition ist der 27. Juni 2022. Bereits am 25. Juni 2022 gibt es eine Vorführung der deutschen Fassung im Schauburg Filmpalast Gelsenkirchen. Weitere Informationen und den Wicked-Onlineshop findet man hier.

Lesetipp: Interview von Stummfilm Magazin mit dem Filmwissenschaftler Prof. Dr. Marcus Stiglegger über die filmhistorische Bedeutung von "Der Mann, der lacht" und die Blu-ray-/DVD-Veröffentlichung.

Buchtipp: "Paul Leni. Grafik – Theater – Film", Katalog zu einer Ausstellung über Paul Leni im Jahr 1986, zusammengestellt von Hans-Michael Bock, 330 Seiten, 400 Abbildungen, herausgegeben vom Deutschen Filmmuseum (Frankfurt am Main), ISBN 3-88799-008-0
Textmaterial und Bilder: Wicked Vision Distribution GmbH