UFA Filmnächte: Burkhard Götze über die Aufführung von "Der Berg des Schicksals"

Die UFA Filmnächte werden in 2022 zum zwölften Mal durchgeführt. Vom 24. bis 26. August präsentieren Bertelsmann und UFA an drei Abenden vor der einzigartigen Kulisse der Berliner Museumsinsel Klassiker des Weimarer Kinos.

Am ersten Tag erlebt das Publikum die Uraufführung der von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung wiederhergestellten Premierenfassung von Arnold Fancks "Der Berg des Schicksals" (1924) mit einer Neukomposition des Wiener Filmkomponisten Florian C. Reithner. Es spielt das Metropolis Orchester Berlin unter Leitung von Burkhard Götze. Stummfilm Magazin sprach mit dem Dirigenten und Arrangeur über das Event.

"Der Berg des Schicksals" gehörte ja bislang zu den seltener gezeigten Stummfilmen. Können Sie uns den Film etwas näher bringen?

"Der Berg des Schicksals" ist besonders aus zwei Gründen interessant: Zum einen ist es der erste Bergfilm von Arnold Fanck, der als spannender Spielfilm aufgebaut ist. Zum anderen ist dieses Werk der Karierebeginn des späteren Bergfilmstars Luis Trenker, der hier das erste Mal als Schauspieler zu erleben ist. Dabei war das gar nicht geplant. Er war nur als Bergführer für die Filmproduktion engagiert worden, weil aber der ursprünglich vorgesehene Schauspieler mit den schwierigen Kletterszenen – die wirklich atemberaubend sind – überfordert war, sprang Trenker kurzerhand ein. Daraus entwickelte sich dann die vielleicht berühmteste Bergsteigerfigur der Filmgeschichte. Es spielen aber auch Stummfilmlegenden wie Erna Morena oder Hertha von Walther mit, letztere kam übrigens mit den Kletterszenen beeindruckend gut zurecht. Der Film handelt von der Besteigung der sogenannten Guglia del Diavolo, die dem Bergsteigersohn (Luis Trenker) nur durch eine spektakuläre Rettungsaktion für seine Jugendfreundin Hella (Hertha von Walther) in einer stürmischen Nacht gelingt. Schon sein Vater scheiterte immer wieder an dem Ziel, diesen schwierigen Gipfel zu erklimmen. Der Film beleuchtet auch die Beziehungen zweier Familien, die in Nachbarschaft leben und mit den Bergsteigerambitionen ihrer Kinder hadern, sie aber auch schätzen. Dazu ist der Film voll von meisterhaft fotografierten Naturaufnahmen, die nach der Restaurierung durch die Murnau-Stiftung wirklich brillant aussehen. Und "Der Berg des Schicksals" ist von der Dramaturgie wie ein großes Crescendo aufgebaut, dessen Spannung stetig steigt. Bei den UFA Filmnächten kann man die Weltpremiere der neuen Restaurierung erleben, die Luciano Palumbo von der Murnau-Stiftung durchgeführt hat und die fantastisch geworden ist. Hier wurde auch erstmals die Schnittfolge der Premierenfassung des Films von 1924 wieder hergestellt.  

Wie wird der "Der Berg des Schicksals" auf der Museumsinsel musikalisch interpretiert werden?  

Der österreichische Komponist Florian C. Reithner hat für den Film eine wirklich großartige Musik geschaffen, die nicht nur die prächtigen Naturbilder musikalisch wunderbar einfängt, sondern auch dem Spannungsbogen des Films punktgenau folgt und ihn sinnlich erlebbar werden lässt. Der Score ist in klassischer Leitmotivtechnik gehalten. Allerdings werden diese Motive auch kunstvoll miteinander verwoben und variiert. Manchmal verlässt der Komponist den meist spätromantischen Stil und es werden Anklänge von Minimal Music oder Messiaenscher Harmonik hörbar. Insgesamt ist es eine Freude, sich mit dieser Musik zu beschäftigen. Doch vor allem tut sie dem Film gut, was bei einer Stummfilmmusik das Wichtigste ist.  

Das verspricht ja ein packendes Hörerlebnis. Und es soll ja sogar auf der Bühne gejodelt werden, oder?

Tatsächlich! Nicht nur das Instrumentarium ist etwas ungewöhnlich: Das Metropolis Orchester Berlin wird ergänzt durch eine große Orgel, die der Komponist selbst bedient, sowie durch Harfe und Hackbrett, die quasi solistische Aufgaben haben. Der Clou aber werden drei Alphörner sein, die als Bühnenmusik abseits des Orchesterpodiums platziert sind und im Hof der Museumsinsel ungeheurere Effekte hervorrufen werden. Zu guter Letzt wird eine Jodlerin zum Einsatz kommen, was vielleicht zunächst etwas kitschig klingen mag, die Wirkung der Musik und des Films aber verstärkt und authentisch macht. Es wird für das Publikum ein großartiges Erlebnis werden und auch sicher viel Spaß machen! Doch man kann sich auch vorstellen, welche Herausforderung es war, für die Produktion all diese Künstler*innen in Berlin zu finden.  

Nach den UFA Filmnächten ist vor den nächsten Aufführungen. Können Sie schon den einen oder anderen kommenden Auftrittstermin des Metropolis Orchester Berlin ankündigen?  

Nach zwei schwierigen Corona-Jahren kann das Metropolis Orchester Berlin auf einen produktiven Herbst blicken. Nach den UFA Filmnächten geht es schon am 04. September 2022 nach Schwerin, wo wir beim Filmkunstfest MV im traumhaften Innenhof des Schlosses Werner Hochbaums "Brüder" aufführen werden. Es ist gleichzeitig die Uraufführung einer neuen Musik unseres Composers in Residence Richard Siedhoff für diesen Film. Im Oktober 2022 arbeiten wir dann wieder mit Robert Israel zusammen, der beim "Film+Musikfest Bielefeld" mit dem Metropolis Orchester seine Musik zu "The Lost World" dirigieren wird, bevor wir dann im November 2022 im Rahmen des Filmfest Braunschweig im Scharoun Theater in Wolfsburg endlich unseren Tribut zu 100 Jahre "Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens" zollen, mit der Originalmusik von Hans Erdmann und anderen Komponisten, in der Kompilation, die Bernd Heller rekonstruiert hat. Dazu gibt es unser fast schon legendäres Vorprogramm, das einen Hauch Gruselatmosphäre versprühen wird.  

Wir danken Ihnen für die interessanten Einblicke und wünschen Ihnen und dem Metropolis Orchester Berlin weiterhin viel Erfolg!
Das Interview führte Frank Hoyer

Linktipps:
Metropolis Orchester Berlin
Burkhard Götze
UFA FIlmnächte
"Der Berg des Schicksals" bei filmportal.de
"Der Berg des Schicksals" bei wikipedia.de

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