UFA Filmnächte 2023: Burkhard Götze über "Wo ist Coletti?"

Die 13. UFA Filmnächte auf der Berliner Museumsinsel finden vom 23. bis zum 25. August 2023 statt. An drei Abenden und in Open-air-Atmosphäre präsentieren Bertelsmann und UFA filmische Meisterwerke des Weimarer Kinos, live begleitet von renommierten Musiker*innen.

Am zweiten Tag kann sich das Publikum auf die von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung restaurierte Fassung von Max Macks "Wo ist Coletti?" freuen. Der Stummfilmmusiker Richard Siedhoff hat für den Film eine Neukomposition angefertigt, die an diesem Abend ihre Uraufführung hat. Es spielt das Metropolis Orchester Berlin unter der Leitung von Burkhard Götze. Stummfilm Magazin sprach mit ihm über das Event.

Stummfilm Magazin: Der frühe deutsche Spielfilm "Wo ist Coletti?" wurde bislang eher selten vorgeführt. Können Sie uns den Film vorstellen?

Burkhard Götze: "Coletti" gilt als die erste abendfüllende Komödie des deutschen Films und hatte seinerzeit großen Erfolg an der Kinokasse. Es geht um ein Katz- und Mausspiel, das sich der Detektiv Jean Coletti mit der Berliner Bevölkerung liefert. Die hat er zuvor aufgefordert, ihn innerhalb von achtundvierzig Stunden ausfindig zu machen. Mit verschiedenen Verkleidungen gelingt es ihm, unterzutauchen und bis zum Ablauf der Frist nahezu unbemerkt zu bleiben. Es ergeben sich große spannende Verfolgungsjagden, die auch mit den modernsten Verkehrsmitteln jener Zeit durchgeführt werden. Der Film besticht auch heute noch durch die wirklich drolligen und immer urkomischen Schauspielleistungen der Protagonist*innen Heinz Junkermann, Magde Lessing, Heinrich Peer und Anna Müller-Linke, letztere übrigens die ersten Frau des Komponisten Paul Linke und zu ihrer Zeit eine der populärsten Komikerinnen in Berlin.

Wie sieht die aktuelle Restaurierung von "Coletti" der Murnau-Stiftung aus?

Der Film wurde zum Beispiel mal 2022 mit einer Schwarzweiß-Kopie aus dem Bestand der Deutschen Kinemathek beim Verein "Laufende Bilder Berlin" in Berlin gezeigt, die man gut vorführen konnte – besonders im Vergleich zu der auf YouTube abrufbaren 16mm-Heimkopie aus der DDR, die den Film aber bekannt gehalten hat. Die neue digitale Restaurierung, die auf dem im Bundesarchiv-Filmarchiv verwahrten Originalnegativ beruht, ist damit allerdings nicht vergleichbar. Ich habe den Film für meine Vorbereitung auf das Dirigat nur sehr stark komprimiert zur Verfügung gehabt, aber schon diese Version hat eine erstaunliche Bildqualität, für einen immerhin einhundertzehn Jahre alten Film fast nicht zu glauben. Ja, er sieht in großen Teilen aus, als wäre er erst letzte Woche gedreht worden und ich kann mir lebhaft vorstellen, wie er auf der großen Leinwand bei den UFA Filmnächten nun wirken muss. "Coletti" wurde für die Restaurierung in 4K gescannt, was sich wohl nun auch bei Stummfilmen sukzessive durchgesetzt. Die Restaurator*innen der Murnau-Stiftung haben eine wirklich tolle Arbeit geleistet.  

Können Sie uns schon etwas darüber verraten, wie sich der Komponist Richard Siedhoff "Coletti" musikalisch angenähert hat?

Ich hatte in den letzten Jahren das Glück, einige der Stummfilm-Kompositionen von Richard Siedhoff in Uraufführung zu dirigieren und es ist jedes Mal eine Freude zu erleben, welche große musikalische Erfindungsgabe er besitzt. Die Musik ist bei "Coletti" ein wichtiger Träger und Kommunikator der Handlungsabläufe und sie hat einen größeren Stellenwert als bei manch anderen Stummfilmen. Die Komposition von Richard ist in der Lage, den Film wirklich zu erzählen, was keine Selbstverständlichkeit bei Stummfilmmusiken ist, und sogar Feinheiten der Szenerie musikalisch herauszuarbeiten, die man mitunter übersehen würde. Auch die Psychologie und die Charaktere jeder einzelnen Figur werden durch die neue Musik erlebbarer und man kann der Entwicklung der Protagonist*innen wunderbar folgen. Schon bei den Leitmotiven zu "Coletti" ist es so, dass sie sofort ins Ohr gehen.

Ohne diese tolle Musik würde der Film nicht halb so viel Spaß machen! Für mich ist es auch eine neue Erfahrung, endlich mal eine Musik zu einer Komödie aus Richards Feder dirigieren zu können. Die Komposition steckt voller Witz, Tempo, feinen Anspielungen und großartiger Instrumentation, wie man bei den UFA Filmnächten 2023 erleben wird. 

Die Vorstellung von "Coletti" am 24. August 2023 ist seit Kurzem ausverkauft ...

Ja, der große Zuspruch freut uns alle hier sehr. Es gibt aber die Möglichkeit, sämtliche Vorstellung der UFA Filmnächte 2023 live im Internet zu verfolgen. Die Filme starten um 21:00 Uhr und werden parallel auf www.ufa-filmnaechte.de sowie auf den Social-Media-Kanälen von Bertelsmann und UFA gestreamt. Im Anschluss an den Livestream bleiben die Filme jeweils für weitere vierundzwanzig Stunden on demand abrufbar. Ein großartiges Angebot!

Wie würden Sie jemanden, der noch nie die UFA Filmnächte besucht hat, das Event beschreiben?

Die prächtige Kulisse der Berliner Museumsinsel, wo die UFA Filmnächte seit vielen Jahren stattfinden, ist ein so außergewöhnlicher wie großartiger Ort für ein großes Stummfilmfestival. Das Besondere an diesem Event, das von Bertelsmann und der UFA-Produktion veranstaltet wird, ist vielleicht die Verbindung zur heutigen Filmszene, denn jeder Film wird von einer bekannten Schauspielerin oder einem Schauspieler als Filmpate vorgestellt.

Das Festival zieht jedes Jahr tausende Menschen an, von denen die meisten sicher keine ausgesprochenen Stummfilmfreaks sind, es strahlt also weit über die Filmerbeszene hinaus. Zudem ist das Festival auch ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis in Berlin geworden, das sehr große Aufmerksamkeit genießt. Kurator Friedemann Beyer sorgt für eine stets interessante und abwechslungsreiche Filmauswahl und die UFA Filmnächte sind auch immer ein Garant für ein sehr hohes musikalisches Niveau. Ich bin sehr stolz, mit meinem Metropolis Orchester Berlin nun bereits schon zum zweiten Mal hier zu Gast sein zu dürfen.

Nach dem Event ist vor dem Event! Können Sie schon den einen oder anderen kommenden Auftrittstermin des Metropolis Orchester Berlin ankündigen?

Bereits am 19. Oktober 2023 geht es weiter und wir eröffnen das Film+Musikfest Bielefeld mit dem großen Klassiker "Das Cabinet des Dr. Caligari". Endlich mit der großartigen Originalmusik von Giuseppe Becce, die nach viel Forschungsarbeit von Lothar Prox zusammengestellt und kompiliert wurde. Sie wurde in den 1980er Jahren einige Male mit dem Dirigenten Helmut Imig aufgeführt, dann allerdings vergessen. Ich habe die Noten im Filmmuseum Düsseldorf wiederentdeckt und neu editiert. Richard Siedhoff hat sie mit der neuen Restaurierung der Murnau-Stiftung synchronisiert und wir können sie nun das erste Mal überhaupt mit der in 4K Ultra HD restaurierten Filmfassung der Öffentlichkeit vorstellen. Das Projekt hat übrigens Armin Mueller-Stahl als Schirmherr begleitet und fand mit der großartigen Unterstützung des Filmmuseums Düsseldorf und Lothar Prox statt.

Wir danken Ihnen für die interessanten Einblicke und wünschen Ihnen und dem Metropolis Orchester Berlin weiterhin viel Erfolg!
Das Interview führte Frank Hoyer

Linktipps:
Metropolis Orchester Berlin
Burkhard Götze
UFA Filmnächte
Themenseite von Bertelsmann zu den UFA Filmnächten 2023
“Wo ist Coletti?” bei Wikipedia
“Wo ist Coletti?” bei filmportal.de
Internetseite der Murnau-Stiftung zur Restaurierung von “Wo ist Coletti?”
Internetseite von Richard Siedhoff zu seiner Komposition von “Wo ist Coletti?”
(Live-)Stream (zeitlich begrenzt): www.ufa-filmnaechte.de sowie auf den Social-Media-Kanälen von Bertelsmann und UFA

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