Leinwand-Lyrik mit Ralph Turnheim: "Stummfilmen Stimme geben"

Er schlüpft in die Rolle von Tarzan. Oder Buster Keaton. Manchmal ist er auch Dick. Oder Spock. Was er aber nie ist: Verlegen um einen Reim und eine treffsichere Pointe! Die Rede ist von Ralph Turnheim, dem wohl einzigen professionellen Stummfilmerzähler im deutschensprachigen Raum. Stummfilm Magazin hat sich mit ihm unterhalten.

Herr Turnheim, was ist Leinwand-Lyrik?

Leinwand-Lyrik ist die Vertonung von Filmen durch Reime. Und zwar live, mit Mikro, neben der Leinwand, vor dem Publikum. Ich kann damit Stummfilmen Stimme geben und Sprachwitz, ohne ihnen die poetische Qualität zu nehmen. Im Idealfall unterstreiche ich sie sogar.

Wie kommt man auf die Idee, Stummfilme mit der Stimme zu vertonen?

Ich war Theaterschauspieler und mich interessiert das Kino und seine Geschichte. Diese Leidenschaften wollte ich irgendwie kurzschließen. Eine meiner liebsten Fernsehsendungen als Kind war Der rosarote Panther. Witziger Trickfilm mit witzigen Reimen – geniales Konzept! Mit Ende 20 kaufte ich einen alten Projektor, sammelte mehrere Pink-Panther-Cartoons auf 16 mm, schrieb eigene Verse dazu und ging mit Pink Panther Poetry auf Tour. Irgendwann nahm ich all meinen Mut zusammen und probierte das Konzept bei einem klassischen Stummfilm aus. Das Texten dauerte Monate und ich hatte das Gefühl, etwas Ungehöriges zu tun. Doch es funktionierte! Erst Jahre später erfuhr ich, dass `Stummfilmerzähler´ fixer Teil des frühen Kinos waren. Wenn man drüber nachdenkt, erscheint das logisch. Dass diese Tradition völlig aus dem kollektiven Gedächtnis radiert wurde, macht mir meinen neu-entdeckten Beruf noch ein Eckerl spannender.

Welchem Komiker leihen Sie am liebsten ihre Stimme? Buster Keaton? Charlie Chaplin? Harold Lloyd?

Ich bewundere Buster Keaton. Mit seinen Sieben Chancen habe ich meine Stummfilmvertonungen begonnen. Auch gefällt mir die Ironie, dem `stillsten aller Stummfilmkomiker´ eine Stimme zu geben. Aber er macht es mir nicht leicht. Die Mischung aus Melancholie, technischer Finesse und Cartoon-Gags macht meine Suche nach stimmigen Worten besonders herausfordernd. Die Stille will ich ihm und dem Stummfilm ja nicht nehmen! Ein besonderes Vergnügen ist übrigens Douglas Fairbanks in Das Zeichen des Zorro, der ersten Zorro-Film von 1920.

Fehlt bei Leinwand Lyrik nicht die Musik?

Das fragen sich alle, die Stummfilme nur mit Musik kennen. Doch als ich meinem Publikum ankündigte, nun auch ein paar Vorstellungen mit einem Pianisten gemeinsam zu machen, fragten mich die Leute: Stört die Musik nicht die Leinwand-Lyrik?

Wo kann man Sie live erleben? Und wann sind Ihre nächsten Termine?

Zuletzt vertonte ich den ersten Tarzan-Film auf einer Hochzeitsfeier. Am 28. Jänner 2017 trete ich in einem der ältesten Kinos der Welt auf, den Breitenseer Lichtspielen in Wien. Gemeinsam mit dem Pianisten Gerhard Gruber vertone ich frühe Sherlock-Holmes-Filme. Aber mit meinem alten Projektor und meinem Oldtimer bin ich im ganzen deutschen Sprachraum unterwegs. Alle kommenden Termine finden sich auf meiner Website Leinwand-Lyrik.

Manchmal reichen Sie zur Aufführung auch Sachertorte. Stimmen Sie den Speiseplan auf den jeweiligen Film ab oder ist die Wiener Spezialität eine Hommage an Ihre Geburtsstadt?

Deutsche Zuschauer sagen mir immer wieder: Mein Wiener Akzent harmoniere gut mit den Stummfilmen. Also runde ich gern mit Wiener Sachertorte das Erlebnis kulinarisch ab. Manchmal mache ich aber auch frisches Popcorn.

Zum Schluss: Welcher Reim fällt Ihnen zum „Stummfilm Magazin“ ein?

Dem Logo ist der Mund verklebt,
doch der Stummfilmsprecher lebt! ;-)

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg beim lyrischen Reimen und wortreichen Vertonen.

Das Interview führte Frank Hoyer
Fotonachweis: (c) 2013 Clemens Molinari

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