Leinwand-Lyrik: Ralph Turnheim über seine neue Blu-ray/DVD-Edition "Turnheim vertont Tarzan"

Seit Mitte Juli 2023 ist das zweite Leinwand-Lyrik-Programm auf Silberscheiben erhältlich: Nach "Die Zunge des Zorro", basierend auf dem Abenteuerstreifen „The Mark of Zorro“ (USA 1920) mit Douglas Fairbanks senior, ist nun "Turnheim vertont Tarzan" als Heim-Edition erschienen.

Grundlage für die leinwandlyrische Sprachveredelung ist "Tarzan of the Apes" (USA 1918), der erste "Tarzan"-Film der Kinogeschichte. Stummfilm Magazin sprach mit Ralph Turnheim, dem wohl einzigen professionellen Stummfilmerzähler im deutschsprachigen Raum, über die Veröffentlichung.

Nach „Zorro“ kann man sich nun „Tarzan“ im typischen, humorvoll-frechen Leinwand-Lyrik-Sound nach Hause holen. Was erwartet das Publikum vor dem heimischen Bildschirm?

Blockbuster-Kino aus der Urzeit. Geistreich aufbereitet. Dieser erste Tarzan-Film ist jetzt 105 Jahre alt. Er wird selten gespielt. Doch kann er als Ur-Vater aller heutigen Blockbuster gelten, dessen Formel bis heute erfolgreich angewandt wird: Action, Schauwerte, Liebe, Nacktheit, Massenszenen, Rache, Mord, Leidenschaft ... Auch wer den Film kennt, wird staunen: Das Bild ist schöner als je zuvor. Es gibt erstmals verschollen geglaubte Szenen zu sehen, insbesondere die erste, obligatiorische Entführung Janes. Dazu gibt es meine Schreie und Reime. Oder Klaviermusik von Stummfilmpianist Gerhard Gruber. Oder Geigenklänge der Wiener Violinistin Jenny Lippl. Der Zuschauer hat die Wahl. Wer möchte, kann auch einfach entspannt dem Projektor beim Rattern zuhören.

Wie nähern Sie sich bei der Entwicklung eines Leinwand-Lyrik-Programms dem zu vertonenden Film und dessen Figuren an?

Aufmerksam. Und so strukturiert wie möglich. Im konkreten Fall hatte ich drei Monate mit dem Film verbracht, ihn mir praktisch täglich erst zur Gänze angesehen, dann Minute für Minute. Beobachtungen und vor allem Ideen für Verse notiere ich dabei ständig auf. Ich kann mich erinnern, dass auch die Lektüre des Originalromans mir sehr geholfen hatte, obwohl der Film davon abweicht. Die Beziehungen der Figuren untereinander werden im Roman deutlicher. Im Film ergibt aber die Handlung mehr Sinn. Am Ende fühlte ich mich dem Film sehr nah. Als hätte ich den ihn nochmal gedreht. Das habe ich in gewisser Weise, aber nur mit Worten und im Kopf.

Können Sie uns einen Einblick in die eigens für die Heim-Edition durchgeführte Restaurierung des Filmmaterials geben?

Dieser Edition liegt meine 16-mm-Kopie zugrunde, die ich bei meinen Vorstellungen zeige. Sie ist mir durch den sprichwörtlichen Zufall in die Hände gefallen. Sie sieht so viel besser aus als die bisherigen Digitalisierungen. Von den wiederentdeckten Szenen ganz abgesehen. Ich habe das Material in 4k scannen lassen. Bei der anschließenden Bildbearbeitung war mir wichtig, soviele Details wie möglich herauszukitzeln. So zeigen sich in einer zuvor weißen Fläche plötzlich feine Schattierungen, wir erkennen jetzt zum Beispiel Wellen oder Laub. Und noch etwas ist neu: Bislang fehlte ein beträchtlicher Teil des Filmbildes, unten sowie an den seitlichen Rändern. Füße, Hände und ganze Baumstämme waren nicht im Frame. Jetzt wirkt die Bildkomposition ganz anders. Der Unterschied ist vielleicht nicht ganz so extrem wie zwischen Röhrenfernseher und Widescreen, aber dennoch beträchtlich.

Mit sieben unterschiedlichen Tonspuren und gleich zwei Booklets ist die Ausstattung ganz schön üppig geworden ...

... und hoffentlich auch nützlich und aufschlussreich. Mit den unterschiedlichen Tonspuren erscheint der Film jedesmal einen Tick anders. Jeder kann seine liebste Version finden. Die beiden Booklets unterscheiden sich nicht nur inhaltlich, sondern auch formal: In einem geht es um den Inhalt der Edition, die Musiker erläutern ihren Zugang zur ihrer Vertonung. Mit dem anderen Booklet kann man sich interaktiv mit der Filmproduktion befassen. Es ist ein kleines Spielbuch. Eine Live-Veranstaltung kann eine Heimkino-Edition nicht ersetzen. Aber daheim lässt es sich in Ruhe schmökern.

Die erste Tarzan-Geschichte des US-amerikanischen Schriftstellers Edgar Rice Burroughs ist ja bereits 1912 erschienen. Wie erklären Sie sich die anhaltende Faszination für den Dschungelhelden Tarzan?

Tarzan ist einerseits trashiges Abenteuer, das bürgt für leichten Zugang. Keiner muss es ernst nehmen. Im Kern wird aber eine hochphilosophische Frage verhandelt: Was ist der Mensch? Was macht uns aus? Tarzan stammt aus einer hochnoblen Familie, wird aber großgezogen von wilden Affen im tiefsten Urwald. Das ist eine spannende Grundkonstellation, bietet Raum für Eskaptismus, aber eben auch essentiellen Themen. Ohne die gibt es, glaube ich, keine Unterhaltung, die Massen anspricht. Und dabei lasse ich mal Tarzans Status als "Superheld" außen vor. Er markiert den Beginn dieses Genres. Irgendwie scheint ein großer Teil unserer Popkultur auf diesen ersten Tarzan-Film zu fußen.

Wo bekommt man die Blu-ray/DVD-Edition "Turnheim vertont Tarzan"?

Bei meinen Vorstellungen und in meinem Webshop leinwandlyrikladen.online. Dort biete ich auch weiteres Stummfilm-Merchandise, wie etwa Fan-Shirts.

Was steht bei Ihnen in den kommenden Monaten an Leinwand-Lyrik-Aktivitäten an?

Neben den Live-Auftritten bereite ich mein neues Programm vor. Dabei werde ich die Stummfilmzeit verlassen und in die Nachwelt eintauchen, genauer: in die Ära des New Hollywood der 1970er Jahre.

Das hört sich spannend an! Herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

Das Interview führte Frank Hoyer.
Bildnachweis: Leinwand-Lyrik/Ralph Turnheim (Blu-ray/DVD-Cover)
 

Linktipps:
www.leinwand-lyrik.de  
Vorstellung der "Tarzan"-Edition auf YouTube 
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