Filmhistoriker Friedemann Beyer über die UFA Filmnächte 2022

Die weltberühmte Berliner Museumsinsel ist wieder Schauplatz der UFA Filmnächte, die in diesem Jahr zum zwölften Mal durchgeführt werden.

Vom 24. bis 26. August 2022 präsentieren Bertelsmann und UFA an drei Abenden vor einzigartiger Kulisse und begleitet von Livemusik große Klassiker des Weimarer Kinos. Stummfilm Magazin sprach mit dem Filmhistoriker Friedemann Beyer, der das Festival seit der zweiten Ausgabe im Jahr 2012 kuratiert.

Im August starten die UFA Filmnächte 2022. Auf welche Stummfilm-Highlights können sich die Gäste freuen?

Auf zwei Weltpremieren bedeutsamer Restaurierungen und drei musikalische Weltpremieren! Am 24. August erleben die Zuschauer die Uraufführung der von der Murnau-Stiftung wiederhergestellten Premierenfassung von Arnold Fancks "Der Berg des Schicksals" (1924) mit einer Neukomposition des jungen Wiener Filmkomponisten Florian C. Reithner. Es spielt das Metropolis-Orchester Berlin, ein junges, engagiertes Ensemble, das sich unter seinem Leiter Burkhard Goetze einen exzellenten Namen gemacht hat. Am zweiten Abend begleitet US-Techno-Legende Jeff Mills Fritz Langs Zeitbild "Dr. Mabuse – der Spieler" (1922) mit neuen Tunes.

Das Finale am 26. August bestreitet eine hinreißende Komödie: Richard Eichbergs "Die keusche Susanne" (1926). Die Verfilmung von Jean Gilberts damaliger Erfolgsoperette gleichen Namens ist voller 20er Jahre-Schwung und zeigt den ersten gemeinsamen Auftritt von Lilian Harvey und Willi Fritsch, dem späteren Traumpaar des deutschen Tonfilms. Die vollständige Fassung des lange nur in einer verstümmelten Version erhaltene Films wurde vor zwei Jahren im russischen Filmarchiv Gosfilmofond gefunden und vom DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum digital restauriert. Eine echte Wiederentdeckung! Begleitet wird die romantische Komödie vom Berliner "Silent Light Ensemble" unter Ekkehard Wölk mit einer neuen Musik im Stil der damaligen Zeit.

Apropos "Mabuse". Der erste Teil trägt den Titelzusatz "Ein Bild der Zeit" und ist als Statement des Regisseurs zu den damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen – geprägt von enormen Klassenunterschieden, Gewalt, Hedonismus, Kommunikationsmissbrauch und fortschreitender Beschleunigung – zu lesen. Ein Film, der durchaus auch als Kommentar zur Gegenwart aufgefasst werden kann ...

Fritz Lang nannte sein Spielfilm-Epos sogar einen "Dokumentarfilm". Entstanden in der durch politische und wirtschaftliche Instabilität geprägten Zeit nach Ende des Ersten Weltkriegs, die in das Krisenjahr 1923 mit Hyperinflation, Hitler-Putsch und politischer Polarisierung mündete, weist der Film tatsächlich einige verblüffende Parallelen zu unserer Gegenwart auf: Auch wir stehen unter dem Bann einer Pandemie (damals war es die Spanische Grippe mit weltweit 50 Mio. Toten), eines Krieges und einer Inflation. Entwicklungen mit hohem Eskalationspotenzial, die erhebliche gesellschaftliche Verwerfungen befürchten lassen. Mabuse ist die Personalisierung der totalitären Führerfigur. Die Zuneigung breiter Gesellschaftsschichten zu solchen Machtmenschen war in den 1920er Jahren ebenso ausgeprägt wie sie es heute global wieder ist; leider. Gleichzeitig herrscht bei vielen Menschen Partystimmung vor, erleben die Clubs in Berlin übergroßen Zulauf, wird sogar die Love-Parade wieder aufgelegt – ein Tanz auf dem Vulkan.

Das musikalische Liveerlebnis ist ein integraler Bestandteil der UFA Filmnächte. Welche Musiker*innen werden auf der Museumsinsel erwartet und welche unterschiedlichen musikalischen Stilrichtungen werden zu hören sein?

Florian C. Reithners Musik orientiert sich, den grandiosen Aufnahmen von Arnold Fancks frühem Bergfilm entsprechend, an spätromantischen bis folkloristisch-alpinen Klängen. In diesem Zusammenhang wird es am Eröffnungsabend im Kolonnadenhof der Museumsinsel einige überraschende musikalische Akzente geben. Jeff Mills begleitet nach fulminanten Auftritten bei UFA-Filmnächten der vergangenen Jahre ("Metropolis", "Frau im Mond") zum dritten Mal einen Film von Fritz Lang. Seine Sounds sind eine Klasse für sich – absolut magisch! Ekkehard Wölk und sein "Silent Light Ensemble" sind nach Ernst Lubitschs "Madame Dubarry" und Franz Ostens "Die Leuchte Asiens" ebenfalls zum dritten Mal dabei. Als Grenzgänger zwischen Jazz und Klassik besitzt Ekkehard eine überragende musikalische aber auch filmische Bildung. Seine Musik zu "Die keusche Susanne" wird einige Reminiszenzen an Jean Gilberts Operette enthalten. Darüber hinaus Anklänge an die Tanzmusik der 20er Jahre: Foxtrott und Tango. Neben Wölk (Piano & Keyboard), Kristoff Becker (Cello/Electronic) und Andrea Macelli (Percussion/Klarinette) wird der Geiger Andreas Leupold das Ensemble verstärken.

Die Filme werden allabendlich durch Filmpat*innen dem Publikum vorgestellt. Können Sie uns vielleicht schon den einen oder anderen Namen verraten?

Die Namen der Filmpaten sind noch geheim, werden aber beizeiten bekannt gegeben.

Wird es auch wieder ein Onlineangebot geben für alle, die nicht vor Ort sein können?

Um möglichst viele Menschen an diesem Highlight des Berliner Kultursommers teilhaben zu lassen, werden Bertelsmann und Ufa als Veranstalter auch in diesem Jahr wieder alle drei Abende streamen. Überhaupt engagiert sich Bertelsmann seit Gründung der UFA-Filmnächte 2011 für den Erhalt des nationalen (Stumm-) Filmerbes und unterstützt die Arbeit damit befasster Institutionen substantiell.

Wir danken Ihnen sehr für die interessanten Einblicke und wünschen den UFA Filmnächten 2022 viel Erfolg!
Das Interview führte Frank Hoyer.

Linktipps: Die UFA Filmnächte im Internet unter www.ufa-filmnaechte.de und www.facebook.com/ufafilmnaechte 

Lesetipp: Am 27. April 1922 wurde der erste Teil von Fritz Langs "Dr. Mabuse, der Spieler" im Berliner Ufa-Palast am Zoo uraufgeführt. Autor Arndt Pawelczik würdigt den Film im Rahmen der Stummfilm Magazin-Initiative 100 Jahre Stummfilm-Klassiker der Weimarer Republik. Hier geht es zur Filmbesprechung.
 

Bildnachweise: Uwe Bendixen (Portraitfoto Friedemann Beyer), Bertelsmann SE & Co. KGaA (Plakatmotiv UFA Filmnächte)

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