DFF-Schau zum Katastrophenfilm: Interview mit Kuratorin Stefanie Plappert

Die aktuelle Coronakrise hat bei vielen bewirkt, dass sie sich wie in einem Endzeitfilm in Endlosschleife und mit unklarem Ausgang fühlen. Die Menschen sehnen ein Ende der Pandemie herbei und wünschen sich eine Realität wie vor Covid-19 zurück.

Andererseits faszinieren die Darstellungen von Katastrophen das Kinopublikum schon seit der Frühzeit des Films. Ob es der Untergang der Titanic oder die Pest in Florenz ist, die spektakulären und unheimlichen Geschehnisse auf der Leinwand ziehen viele Menschen – aus der sicheren Warte des bequemen Kinosessels! – in ihren Bann.

Das DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt nimmt sich nun mit der derzeit in Planung befindlichen Ausstellung "Katastrophe. Was kommt nach dem Ende?" dem Genre des Katastrophenfilms an. Stummfilm Magazin sprach mit Stefanie Plappert, Kuratorin der Ausstellung.

Was ist eigentlich ein Katastrophenfilm?

Landläufig versteht man darunter einen Blockbuster, in dem eine existenzbedrohende Situation durch heldenhaftes Handeln einzelner bewältigt wird. Aufsehenerregende Spezialeffekte und hervorstechende Tongestaltung spielen dabei eine Rolle, ebenso wie dramaturgisches Zuspitzen der Gefahrensituation auf der einen und der Größe menschlichen Heldentums auf der anderen Seite. Die Themen wechseln dabei durch die Jahrzehnte – immer orientiert an den jeweils zeitaktuellen Bedrohungen. In den vergangenen Jahren zum Beispiel entstanden immer mehr Filme zum Klimawandel und seinen möglichen Folgen. Das wird auch in der Ausstellung ein zentrales Thema sein.

Worin liegt die Faszination des Katastrophenfilms begründet?

Gefahr, und besonders die, die einen nicht unmittelbar betrifft, hat Menschen schon immer gleichermaßen fasziniert und beunruhigt; seit frühester Menschheitsgeschichte werden Katastrophen – auch wenn sich der Begriff erst seit dem 18. Jh. dafür durchgesetzt hat – künstlerisch dargestellt: die alttestamentarische Sintflut, die religiösen Illustrationen der Johannes-Offenbarung im Mittelalter, die Flugblätter und Zeichnungen, die vom Erdbeben in Lissabon 1755 zeugten – Katastrophenvorstellungen hinterließen immer einen bleibenden Eindruck. Und das gilt erst recht für das alle Sinne ansprechende Medium Film: im Kinosessel dem Weltuntergang beiwohnen zu können, der sich nach Filmende als Fiktion erweist – das ist zugleich mitreißend und befriedigend.

Wie sieht das Ausstellungskonzept aus? Was erwartet die Zuschauer*innen?

Die Ausstellung ermöglicht es dem Publikum, die Stadien des klassischen Katastrophenfilms zu durchlaufen – von den ersten Warnsignalen über den Ausbruch der Katastrophe und die folgenden Rettungsbemühungen der Betroffenen bis zur abschließenden Rettung mit der Aussicht auf einen Neuanfang. Zu sehen sind natürlich Filmausschnitte, aber auch andere „bildgebende“ Objekte aus dem filmischen Prozess, von Storyboards über Setdesigns bis zu Kinoplakaten. Zentral für uns war dabei, den filmischen Bildern immer gleich die Wirklichkeit gegenüber zu stellen: Zeitschriften, wissenschaftliche Interviewsequenzen und Objekte aus dem Umgang mit realen Katastrophen zeugen davon, wie sich Wissenschaft auf das Schlimmstmögliche einstellt.

Welche Filme aus der Frühzeit des Kinos haben in die Ausstellung Eingang gefunden?

Auch wenn Katastrophenfilmen stets der Ruf der jüngeren megalomanischen Kassenhits vorauseilt: Katastrophen wurde seit Beginn des Kinos – man denke an Méliès "Éruption volcanique à la Martinique" aus dem Jahr 1902 – genüsslich auserzählt. August Bloms "Verdens Undergang" (DK 1916, siehe Foto) etwa, der die Überflutung der dänischen Küste durch einen Meteoriteneinschlag thematisiert, enthält schon alle Elemente des klassischen Katastrophenfilms: Liebe, Verrat, Bestrafung der Egoist*innen durch höhere Mächte, Rettung der Würdigen nach harter Bewährung. Ähnlich verhält es sich mit "Lost Word" (Regie: Harry O. Hoyt; USA 1925).

Haben Sie persönlich einen Favoriten aus dem Genre des Katastrophenfilms?

So sehr ich die krachenden, alles zerstörenden Blockbuster liebe – noch mehr Eindruck haben bei mir persönlich die nachdenklicheren Filme hinterlassen. In den 1960er bis 80er Jahren war die alles überschattende Bedrohung die Gefahr eines atomaren Großschlags. Sowohl Stanley Kramers "On The Beach" (US 1959) als auch Konstantin Lopuschanskis "Pisma myortvogo cheloveka" ("Briefe eines toten Mannes"; UDSSR 1986) haben mich sehr beeindruckt, beide kreisen angesichts des Endes der Welt letztlich um die Frage, was uns Menschen ausmacht.

Welche Planungen gibt es zum Begleitprogramm?

Viele! Das Thema bietet ja so viele Möglichkeiten … Natürlich werden wir eine "katastrophale" Filmreihe in unserem hauseigenen Kino zeigen; mir ist es wichtig, dass neben den großen Produktionen auch weniger bekannte Namen zu sehen sind. Daneben veranstalten wir gemeinsam mit unserer Partnerinstitution, der Forschungsgemeinschaft Senckenberg, Workshops und Tandemführungen, um auch an dieser Stelle den doppelten Blick der Natur- und Filmwissenschaft aufzuzeigen. Wir wollen vor allem mit Jugendlichen über die "Klimakatastrophe" sprechen und an Möglichkeiten arbeiten, dagegen vorzugehen. Filmeinführungen und Diskussionsveranstaltungen sind ebenfalls geplant – etwa zu aktuellen Gefahrenlagen und wie diese im Kino repräsentiert werden, zu Umweltthemen, aber auch zu "letzten Fragen" mit Epxert*innen aus Bereichen der Seelsorge oder der Psychologie.

Und nun die Frage aller Fragen: Wann kann mit einer Eröffnung der Ausstellung gerechnet werden?

Wir hoffen auf einen Ausstellungsstart am 14. Juli 2021 – wenn nicht vorher die Welt untergeht.

Wir danken Ihnen für die spannenden Einblicke und wünschen Ihnen alles Gute in diesen herausfordernden Zeiten.
Das Interview führte Frank Hoyer. 
Bildnachweise: DFI – Det Danske Filminstitut (Standbild "Verdens Undergang", DK 1916); DFF/Sophie Schüler (Porträtfoto Stefanie Plappert); DFF (Logo DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum)
 

Linktipps
Webseite DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
DFF-Podcast zur Ausstellung "Katastrophe. Was kommt nach dem Ende?"
Katastrophenfilm auf Wikipedia
imdb bietet viele interessante Suchergebnisse beispielsweise unter den Stichworten "disaster", "end of the day", "apocalypse", "post-apocalypse" und "dystopia".

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